Wie sind inhaftierte Kinder von Covid-19 betroffen?

Covid 19

Die Überbelegung von Gefängnissen und der beschränkte Zugang zu medizinischer Versorgung bedeuten angesichts der Coronavirus-Pandemie eine Gefahr für die Gesundheit von inhaftierten Kindern. Terre des hommes ist in vielen Haftanstalten weltweit aktiv und war somit schnell in der Lage, die Strafbehörden bei der Einführung präventiver Hygienemassnahmen zu unterstützen. Wir plädierten zudem dafür, dass Kinder und Jugendliche von Notmassnahmen ohne Freiheitsentzug profitieren können. Interview mit Yann Colliou, dem Leiter des Programms Zugang zur Justiz bei Tdh.

Welchen Risiken in Zusammenhang mit Covid-19 sind Kinder im Freiheitsentzug ausgesetzt?

Haftanstalten bergen viele Gesundheitsrisiken für Kinder. Der Platzmangel ist ein Faktor, der die Ausbreitung von Viren begünstigt. Studien haben hohe Raten übertragbarer Krankheiten in Gefängnissen nachgewiesen. Es müssen dringend alternative Massnahmen zur Haft angewendet werden, um die Wiedereingliederung von Kindern in ihre Familien und Gemeinschaften sicherzustellen.

Was hat Tdh infolge der Covid-19-Krise unternommen?

Terre des hommes ist in über 70 Jugendstrafanstalten in Afrika, Lateinamerika, im Mittleren Osten, Asien und Europa tätig. Wir verteilen dort Hygienematerial, setzen die sanitäre Infrastruktur instand und schulen das Personal im Hinblick auf die Rechte und die spezifischen Bedürfnisse von Minderjährigen.

Als Antwort auf den Covid-19-Notstand haben wir Sitzungen organisiert, um für Schutz- und Hygienemassnahmen zu sensibilisieren und damit die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen. Unsere Teams haben Telefonguthaben verteilt und Kommunikationssysteme eingerichtet, damit Kinder und Jugendliche während des Lockdowns mit ihren Familien in Kontakt bleiben können. Unsere PsychologInnen bieten ihnen Unterstützung aus der Distanz. Wir haben zudem geplant, Online-Bildungsaktivitäten zu schaffen. Gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir die Staaten dazu aufgerufen, alle inhaftierten Kinder und Jugendlichen freizulassen, insbesondere diejenigen in Untersuchungshaft.

Wie arbeitet Tdh mit den Behörden zusammen, um die Freilassung dieser Kinder zu beschleunigen?

Zunächst leisten wir Überzeugungsarbeit beim Justizministerium. Dann sensibilisieren wir Justizakteure wie StaatsanwältInnen, UntersuchungsrichterInnen und GerichtspräsidentInnen für die Risiken, denen inhaftierte Kinder ausgesetzt sind, und für die Vorzüge von Massnahmen ohne Freiheitsentzug. Parallel dazu arbeiten wir mit der Gefängnisverwaltung und den Sozialdiensten von Haftanstalten zusammen, um die Dossiers von inhaftierten Kindern auf den aktuellen Stand zu bringen und die sozialen Abklärungen zu vervollständigen. Wir präsentieren den zuständigen JustizbeamtInnen unsere Empfehlungen für die Anwendung von Massnahmen ohne Freiheitsentzug.

Welche Resultate erzielt das Plädoyer von Tdh?

Es ist uns gelungen, Politik und Justiz von der Dringlichkeit der Situation und von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Anzahl inhaftierter Kinder schnell zu verringern. Mit dem Ergebnis, dass mehrere hundert Kinder in Afrika, im Mittleren Osten und in Europa freigelassen wurden und jetzt wieder in ihre Gemeinschaften eingegliedert werden. Sie profitierten von Massnahmen wie einer vorläufigen Entlassung oder einem Freispruch, wenn die Fristen für die Untersuchungshaft abgelaufen waren.

Wie spielt sich die Reintegration eines Kindes ab?

In Mali zum Beispiel wurde Tdh sehr schnell aktiv, um die Freilassung von Kindern und ihre Wiedereingliederung in ihre Familien zu erreichen. Wir koordinierten eine Notaktion mit mehreren Partnern des lokalen Justizsystems und haben ein Komitee für die Betreuung und die Wiedereingliederung von Kindern in Kontakt mit dem Gesetz aufgestellt. Ihre Familien, die sich aufgrund der Ausgangsbeschränkungen, des Lockdowns oder der schwierigen Versorgungslage bereits in einer komplexen und stressigen Situation befinden, erhalten punktuell materielle Unterstützung.

Bei der Wiedereingliederung arbeitet Tdh mit den Jugendlichen und ihren Familien zusammen, um ein Lebensprojekt zu entwickeln. Einflussreiche Personen ihrer Gemeinschaften wie Imame, Priester oder Quartiervorstehende, helfen uns, ihren Reintegrationsprozess zu erleichtern.

Bildnachweis: ©Tdh/ Ollivier Girard

Junge von hinten
Lavilé
wurde aus einer Haftanstalt in Mali freigelassen

«Tdh bringt uns bei, Lösungen für unsere Probleme zu suchen.»

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